Interessantes über Aikidō

Unter dieser Rubrik wollen wir interessante Aspekte von Aikidō schlaglichtartig beleuchten und immer mal wieder einen kleinen Beitrag einstellen.

Was ist Aikidō und woher kommt es?

Dentō Iwama Ryū

Das ist die Bezeichnung unseres Aikidō-Stils – aber was bedeutet sie? Dentō heißt „traditionell“, Ryū bedeutet „Stil“ – also: Traditioneller Iwama-Stil. Iwama ist ein kleiner Ort etwa 150 km nördlich von Tokio, in der Präfektur Ibaraki. Nach dem Krieg zog sich der Aikidō-Begründer Morihei Ueshiba dorthin zurück, um Landwirtschaft zu betreiben, zu lehren und sein Aikidō weiterzuentwickeln. Einer seiner engsten Schüler war Morihiro Saitō Sensei, der den Stil dort weiterführte. Heute tragen sein Sohn und sein Enkel Yasuhiro Saitō das Erbe fort. Iwama ist ein ruhiger, von Landwirtschaft geprägter Ort, fernab des Tourismus – mit herzlichen Menschen. „Wenn ich zu meinem jährlichen Trainingsaufenthalt nach Iwama reise, genieße ich neben dem harten Training die fast meditative Stille des Ortes“, so unser Dōjō-Leiter Volker.

Aiki-Schrein in Iwama

Der Gründer Morihei Ueshiba

Aikidō ist im Vergleich zu anderen Kampfsportarten, wie z. B. Karate, eine junge Kampfkunst. Sie zielt drauf ab, die Energie des Angreifers möglichst so abzulenken, dass kein Schaden entsteht, weder für den Angreifer, noch für den Verteidiger. Entwickelt wurde Aikidō vor etwa 80-100 Jahren von Morihei Ueshiba. Dessen Bestreben war es, Spiritualität und Kampfkünste, von denen er verschiedene erlernte, in seiner eigenen Kampfkunst, welche er zunächst Aikidbudō und später Aikidō nannte, in Einklang zu bringen. Morihei Ueshiba wird im Aikidō auch O-Sensei, „großer Lehrer“, genannt. Ueshiba wurde 1883 in Tanabe geboren. Bereits als Kind erwarb er Techniken der Meditation und wurde aufgrund seiner schwachen Konstitution von seinem Vater zum Schwimmen und Sumo gedrängt. Ein prägendes Erlebnis, welches zur Entwicklung von Aikidō führte, ereignete sich, als Moihei Ueshiba noch ein Teenager war: Im Schlaf wurde sein Vater von zwei Angreifern zusammengeschlagen, dies ließ in ihm den Wunsch aufkommen, stark zu werden und sich verteidigen zu können.

Die Idee des Aikidō wird geboren

Mit 18 Jahren begann der Gründer des Aikidō, Morihei Ueshiba, eine Kaufmannslehre und eröffnete in Tokio ein Geschäft. Dort entdeckte er die Begeisterung für japanische Kampfkünste. Er erkrankte aber bald und kehrte nach Tanabe, seiner Geburtsstadt, zurück. Er heiratete Hatsu Itokawa und bekam mit ihr drei Kinder. 1924 trat er der Armee bei und kämpfte im russisch-japanischen Krieg. Dann widmete er sich erneut den Kampfkünsten, studierte Jujutsu und erlernte den Umgang mit verschiedenen Waffen. Zugleich widmete er sich der Meditation und wurde Anhänger des Führers der Ōmotokyō-Sekte Onisaburo Deguchi. Morihei Ueshiba Foto: Aikido Journal Wegen kritischer Äußerungen gegenüber dem Kaiser wurde die Sekte verfolgt und Deguchi und Ueshiba wurden bei einer Reise überfallen. Dies war ein weiteres Schlüsselerlebnis: Ueshiba schaffte es gerade so viel Energie aufzuwenden, um den Gegner kampfunfähig zu machen, ohne ihn jedoch zu verletzen. Dies führte ihn zur Erkenntnis, dass „das wahre Budō heißt, den Geist des Kosmos aufzunehmen, in der Welt Frieden zu halten, was in der Natur lebt, zu schützen und zu achten.“ Die Idee des Aikidō war geboren.

Morihei Ueshiba (Foto: Aikido Journal)

Die Entwicklung des Aikidō

Mit ca. 40 Jahren, also etwa ab dem Jahr 1925, begann Morihei Ueshiba (auch „O-Sensei“, großer Lehrer) im Aikidō Aspekte verschiedener japanischer Kampfkünste zu vereinigen. Dies verband er mit der spirituellen Vorstellung, dass nicht Sieg oder Niederlage das Wesen der Kampfkunst sei, sondern die Versöhnung gegensätzlicher Kräfte und die Abwesenheit von Gewalt. Deshalb gibt es keine Wettkämpfe im Aikidō und es stehen nicht Angriffs-, sondern Verteidigungstechniken im Vordergrund. Diese zielen auf die Abwehr der Energie des Angreifers ab und nicht auf dessen Zerstörung. Ab etwa 1927 zog Ueshiba nach Tokio, um das Hombu Dōjō zu gründen und dort zu unterrichten, wobei auch das Üben mit verschiedenen Waffen Bestandteil des täglichen Trainings war. Im Zweiten Weltkrieg verboten die Besatzungsmächte zeitweise die Lehre der japanischen Kampfkünste. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das Training wieder aufgenommen werden, ab 1948 wurde der Aikidō-Verband Aikikai gegründet und O-Sensei übertrug die Leitung des Dōjōs seinem Sohn Kisshōmaru, das heute von dessen Sohn Moriteru geleitet wird. Auch der Stil, welcher dort heute unterrichtet wird, wird „Aikikai“ genannt. Er unterscheidet sich von dem Stil, der im Aikidō-Dōjō in Korntal unterrichtet wird.

Der Bewahrer Morihiro Saitō

Morihei Ueshiba, der Gründer des Aikidō, zog sich 1942 mit ca. 60 Jahren nach Iwama, einer Kleinstadt nördlich von Tokio, zurück. Dort betrieb er Landwirtschaft und unterrichtete nur wenige Schüler. In Iwama entwickelte er seine Kampfkunst weiter, ab 1942 wurde hierfür nur noch der Begriff „Aikidō“ verwendet. 1946 begann Moriso Saitō, mit 17 Jahren seinen Unterricht bei O-Sensei („großer Lehrer“, Morihei Ueshiba). Er setzte seine intensiven, täglichen Studien des Aikidō und die hingabevolle Unterstützung O-Senseis und dessen Familie 23 Jahre lang fort. O-Sensei verlieh Saitō den Namen Morihiro, „der Bewahrer“ und setzte ihn als seinen Nachfolger des Iwama-Dōjōs und zur Pflege des von ihm errichteten „Aiki-Schreins“ ein. Nach dem Tod O-Senseis gaben viele Schüler das Aikidō, das sie bei ihm erlernt hatten, an andere weiter, unterschiedliche Stilrichtungen entstanden. Saitō verstand es als seine Aufgabe, die Techniken, so wie sie O-Sensei gelehrt hatte, zu bewahren. Er nannte seine Stilrichtung „Iwama Ryū“, Iwama Stil. Aufgrund seiner großen Erfahrung und seiner präzisen Techniken zog er viele Schüler aus aller Welt an.

Morihiro Saitō.Sensei vor dem Aiki-Schrein in Iwama

 

 

 

Dōka – Aikidō-Gedichte des Weges

Um den Prinzipien des Aikidō Ausdruck zu verleihen, verfasste dessen Begründer Morihei Ueshiba zahlreiche sogenannte Dōka (übersetzt: Lieder des Weges). In poetischer Form beleuchten sie die Grundgedanken und die innere Haltung, die dem Aikidō zugrunde liegen. Eines dieser Gedichte hat eine besonders hohe Bedeutung: Es ist in Stein gemeißelt und am sogenannten Aiki-Schrein in Iwama, Japan, verewigt – ein zeitloser, religionsübergreifender Vers, der gerade in der heutigen Welt besondere Relevanz hat:

„Wunderschön ist das Antlitz von Himmel und Erde; es ist das Werk des Herrn, ein einziges, vereintes Zuhause für alle Lebewesen.“

Morihei Ueshiba beschreibt hier die Welt nicht als Kampfplatz, sondern als heiliges, harmonisches Gefüge – erschaffen von einem höheren Prinzip, in dem alles miteinander verbunden ist, wie in einer großen Familie. Das ist ein zentraler Gedanke im Aikidō: Statt den Gegner zu bekämpfen, sucht man nach Harmonie mit ihm – weil wir letztlich alle Teil eines größeren Ganzen sind.

O-Sensei Morihei Ueshiba, der Gründer des Aikido Foto: Stanley Pranin

 

Worterklärungen unserer Aikidō-Stilrichtung

Takemusu

Unser Verein Takemusu Aikidō Korntal e.V. trägt diesen Namen, und unser Dōjō ist mit Kalligraphien geschmückt, auf denen „Takemusu Aiki“ steht. Aber was bedeutet Takemusu eigentlich? Der Begründer des Aikidō, Morihei Ueshiba, prägte diesen Begriff selbst. „Take“ bedeutet Kampf, „Musu“ bedeutet erschaffen oder gebären – Ueshiba beschrieb damit die Fähigkeit, im Moment des Kampfes spontan die richtige Technik zu „gebären“, also zu erschaffen. Er betrachtete dies als eines der höchsten Ziele im Aikidō. Übertragen auf den Alltag bedeutet Takemusu, in jeder Situation flexibel und intuitiv die beste Entscheidung zu treffen. Es ist ein lebenslanges Streben nach Entwicklung und Anpassungsfähigkeit.

Schōmen im Trainingsraum des Takemusu Aikidō Korntal e.v.

 

 

 

Waffentechniken erklärt

Im Aikidō werden oft Techniken mit dem Schwert (Bokken/Ken/Iaitō) und mit dem Stab (Jō) unterrichtet, die hier beide kurz erläutert werden sollen.

Waffen im Aikidō – Aiki-Ken, das Schwert

Das Schwert Aikidō ist nicht nur eine effektive Selbstverteidigung, sondern auch eine traditionelle japanische Kampfkunst. Ein wichtiger Bestandteil des Aikidō-Trainings ist der Umgang mit dem Bokken (Holzschwert) und gelegentlich dem Iaitō (ein Schwert mit echter, aber stumpfer Klinge). Doch warum wird im Aikidō überhaupt mit Waffen geübt? Das Training mit dem Schwert ist eine fundamentale Übung, da seine Bewegungen eng mit den Körpertechniken des Aikidō verbunden sind. Viele Prinzipien wie Haltung, Timing und Fluss der Bewegung lassen sich durch das Schwerttraining verfeinern und vertiefen. Neben der körperlichen Schulung spielt auch der mentale Aspekt eine entscheidende Rolle. Die Schwert-Partnerübungen, bekannt als Kumitachi und Ken Awase, erfordern ein hohes Maß an Konzentration, Fokus und Verbindung (Awase). Diese Übungsformen sehen zwar aus wie traditionelle Schwertkampfabfolgen, dienen aber vor allem dazu, Achtsamkeit, Distanzgefühl und harmonische Bewegung zu entwickeln. Durch das Schwerttraining lernen Aikidōka nicht nur die Grundlagen der Waffentechniken, sondern verbessern auch ihr Verständnis der waffenlosen Techniken. So wird das Schwert zu einem wichtigen Werkzeug auf dem Weg zur Meisterschaft im Aikidō.

Nidaime Morihiro Saitō Sensei in Korntal 2017 mit Ken

Waffen im Aikidō – Aiki-Jō, der Stab

O-Sensei Ueshiba Morihei, der Begründer des Aikidō, war Experte in vielen Kampfkünsten, die ein umfangreiches Waffentraining beinhalteten. Warum er ausgerechnet den Jō, einen ca. 130 cm langen Holzstab, in das Aikidō integrierte, ist nicht genau dokumentiert. Vermutlich liegt es an der Handlichkeit dieser Stablänge, die fließende, kreisförmige Bewegungen ermöglicht und sich ideal mit den Körpertechniken des Aikidō verbindet. Im Gegensatz zu den eher linear geführten Schwertbewegungen erlaubt der Jō ein häufiges und dynamisches Wechseln der Seiten sowie der Fuß- und Körperpositionen. Dadurch dient er als hervorragendes Trainingsmittel zur Verfeinerung der Aikidō-Prinzipien und zur Verbesserung der Bewegungskoordination.

Nidaime Morihiro Saitō Sensei in Korntal 2017 mit Jō und Volker Hochwald Sensei

Waffen im Aikidō – Tantō, das Messer

Im Aikidō wird neben dem Schwert (Katana oder Bokken) und dem Stab (Jō) auch mit einer weiteren traditionellen japanischen Waffe trainiert: dem Tantō, einem japanischen Kampfmesser. Das Tantō war eine Sekundärwaffe der Samurai und wurde oft als Ergänzung zum Schwert getragen. Traditionelles Tantō Im Aikidō üben wir Tantō-dori. Dabei geht es darum, sich gegen traditionelle Angriffe mit einem Tantō zu verteidigen. Diese Techniken basieren auf klassischen Bewegungsmustern und haben nur begrenzte Gemeinsamkeiten mit modernem Messerkampf, der oft schneller und unberechenbarer ist. Obwohl die im Aikidō geübten Entwaffnungstechniken grundsätzlich wirksam sind, bleibt ein Messer eine äußerst gefährliche Waffe. Es kann leicht verborgen und blitzschnell eingesetzt werden – ein Grund, warum Polizisten oft schnitt- und stichfeste Schutzkleidung tragen. Das Training mit dem Tantō schult in besonderer Weise unsere Achtsamkeit und Präzision. Auch wenn wir mit einer Holzattrappe üben, behandeln wir sie stets mit der Vorstellung, dass es sich um eine echte Klinge handelt. Diese Herangehensweise stärkt unser Bewusstsein für Gefahren und fördert eine realistische Anwendung der Techniken.

 

Körpertechniken erklärt

Im Aikidō gibt es zwei Hauptkategorien von Körpertechniken: Katame-waza (Festhalte- und Hebeltechniken) und Nage-waza (Wurftechniken) , die hier beide kurz erläutert werden sollen.

Katame-waza – Festhalte- und Hebeltechniken

Katame-waza (Festhalte- und Hebeltechniken) dienen dazu, den Gegner zu kontrollieren und kampfunfähig zu machen, indem Gelenke fixiert oder Hebeltechniken angewendet werden. Diese Techniken können mit Schmerzen verbunden sein, doch im Training bestimmt der Uke (Angreifer), wo sein Schmerzlimit ist. Wie in vielen Kampfkünsten  signalisiert er dies durch zweimaliges Abklopfen. Diese Praxis fördert nicht nur die eigene Körperwahrnehmung, sondern lehrt auch Achtsamkeit und Respekt gegenüber den Grenzen des Trainingspartners – Werte, die bereits  Kinder und Jugendliche im Aikidō früh verinnerlichen.

Aikidōka im Trainingsraum des Takemusu Aikidō Korntal e.v. üben Katame-Waza

Nage-waza – Wurftechniken

Neben den Hebeltechniken bildet das Nage-waza (Wurftechniken) die zweite große Hauptkategorie der Aikidō-Körpertechniken. Die Bandbreite ist dabei vielfältig: Einige Würfe nutzen Arm- oder Handgelenkshebel, andere  ähneln klassischen Hüftwürfen, wie man sie aus dem Judō kennt. Es gibt aber auch Techniken, die ganz ohne Kraft funktionieren, indem sie allein durch das Brechen des Gleichgewichts des Angreifers wirken. Damit das Training  sicher bleibt, üben wir natürlich auf Matten und lernen zunächst die Ukemi (Falltechniken), um Verletzungen zu vermeiden. Achtsamkeit und Rücksicht sind essenziell – eine harmonische Trainingsatmosphäre entsteht, wenn man seinen Partner nicht durch zu harte Würfe überfordert.

Franziska Hochwald Sensei demonstriert Nage Waza

 

 

„You attacked me wrong!“

Dieses Zitat stammt aus einem Comedy-Clip der 90er von Jim Carrey – eine Parodie auf klassische amerikanische Kampfsportschulen (auf YouTube zu finden). Doch tatsächlich gibt es auch im Aikidō „falsches Angreifen“. Beim Üben von Aikido-Techniken sind die Angriffe des Uke (Angreifers) oft vorgegeben. Das liegt daran, dass Aikidō Techniken aus komplexen Bewegungsabläufen bestehen. Um diese sicher zu erlernen, gibt es festgelegte Grundtechniken (Kihon), bei denen das Verhalten des Uke eine wichtige Rolle spielt. Erst wenn man diese Techniken flüssig und sicher beherrscht, kann man sie auch in freieren Angriffssituationen anwenden. Diese Form des  Trainings nennt sich Ōyō Waza (angewandte Technik).

Volker Hochwald Sensei demonstriert eine Entwaffnungstechnik mit dem Messer

 

 

Wohnhaus oder Dōjō? Beides!

Wer in Korntal an der Apfelallee 4 vorbeigeht, sieht zunächst ein gemütliches Wohnhaus mit Holzverkleidung. Dort wohnen Volker Hochwald (6. Dan) und Franziska Hochwald (5. Dan), hochgraduierte Senseis (Lehrer/-in) unseres Dōjōs (Trainingsraum für Kampfkünste). Bei genauerem Hinsehen sieht man im Souterrain einen großen, lichtdurchfluteten Trainingsraum – ein Aikidō-Dōjō! Solche Dōjōs sind selten, da Kampfkünste meistens in Sporthallen trainiert werden, wo für jedes Training Matten auf- und abgebaut werden müssen. Manchmal finden sich tatsächlich dauerhaft eingerichtete Aikidō-Dōjōs. Ein Dōjō im eigenen Wohnhaus ist jedoch wirklich etwas Außergewöhnliches, es entsteht eine besondere Trainingsatmosphäre, die die Aikidōka unseres Dojos zu schätzen wissen.

 

 

Der wahre Sieg ist der Sieg über sich selbst

Auf Japanisch: Masakatsu Agatsu. Diese Worte stammen vom Begründer des Aikidō, O-Sensei Morihei Ueshiba. Ueshiba war der Überzeugung, dass Aikidō keine Wettkämpfe braucht, denn auch sie sind eine Form von Konflikt und widersprechen den Prinzipien des Aikidō. Stattdessen liegt der Fokus auf einem ständigen Trainieren sowie einem selbstkritischen Überprüfen und Verbessern der eigenen Technik. Dieser kontinuierliche Entwicklungsprozess ist der Weg – im Japanischen als bezeichnet. Egal wie fortgeschritten man ist, das Streben nach Perfektion sollte niemals enden. Im Aikidō steht nicht der äußere Kampf im Vordergrund, sondern das Lösen innerer Konflikte. Es geht darum, das eigene Ego zu kontrollieren, Selbstdisziplin zu entwickeln und emotionale Gelassenheit zu bewahren. Aus dieser inneren Stärke heraus begegnet man Konflikten nicht mit der Zerstörung des Gegners, sondern indem man Harmonie in einer scheinbar disharmonischen Situation schafft. So wird der wahre Sieg – der Sieg über sich selbst – zur Essenz des Aikidō.

 

Fließende Energie

Aikidō wird oft mit fließenden Bewegungen (“ki no nagare”, “fließende Energie”) in Verbindung gebracht. In unserem Aikidōstil – Dentō Iwama Ryū – ist dies auch ein zentrales Prinzip, es wird allerdings nur Fortgeschrittenen Aikidōka unterrichtet. Warum ist das so? In unserem Stil wird Wert darauf gelegt, dass die Techniken zunächst in einer “Kihon”-Form (“Grundlage”) geübt werden: Es wird vermittelt, wie die Techniken im Detail ausgeführt werden, damit sie wirksam sind. Hierbei kommt es auf Körperhaltung, Winkel, Schrittfolge, usw. an. Dies ist anspruchsvoll und es erfordert viel Training, um Details zu verstehen. Es wird davon ausgegangen, dass es dieser Tiefe des Verständnisses bedarf, bevor man die Techniken auch in einer fließenden Bewegung korrekt ausführen kann.

Franziska Hockwald Sensei mit Uke

 

 

Kiai – Was soll dieses Geschrei?

Wer während des Trainings mal an unserem Dōjō vorbeikommt, hört manchmal Ungewöhnliches: Lautes Geschrei. Wozu ist das gut? Es gibt in fernöstlichen Kampfkünsten eine spirituelle Erklärung, aber pragmatisch, sportwissenschaftlich gedacht hat das Kiai (so der Schrei auf Japanisch) den positiven Effekt, maximale Kraft zu entfalten. Der intraabdominale Druck wird erhöht, was die Wirbelsäule stabilisiert und die Übertragung der Kraft vom Körperzentrum in die Extremitäten begünstigt. Gleichzeitig sorgt der Schrei für eine Synchronisation der gesamten  Muskelarbeit und unterstützt die schnelle Ausatmung. Deswegen machen das auch nicht nur Kampfsportler wie wir. Auch im Hammerwerfen, Kugelstoßen und sogar im Tennis wird häufig im Moment größter Kraftübertragung geschrien.

Volker Hockwald Sensei demonstriert Technik mit Kiai

 

 

Der Hakama

Unser oberster Lehrer Hitohira Saitō Sensei hat kürzlich darauf hingewiesen, dass das Tragen des Hakama – in unserem Stil ein enger geschnittener “Nobokama” (Feldhakama) – im Aikidō Tradition ist. Aber was ist ein Hakama? Es ist ein schwarzer Hosenrock, den fortgeschrittene Aikidōka tragen. Die feste Bindung des Hakama um die Körpermitte (Hara) soll das Zentrumsgefühl verstärken und so die Körperhaltung verbessern. Ein Hakama hat sieben Falten: fünf vorne und zwei hinten. Dies ist kein Zufall, sondern soll an die sieben Tugenden eines Samurai erinnern: Güte, Gerechtigkeit/die rechte Entscheidung, Höflichkeit, Mut, Aufrichtigkeit, Hingabe, Respekt. Obwohl diese Tugenden aus einer anderen Zeit und Kultur stammen, haben sie auch hier und heute Relevanz.

Nidaime Morihiro Saitō Sensei in Korntal 2017

 

Jiyukeiko

In unserem Dojo gibt es eine Besonderheit, die nicht selbstverständlich ist und die auch nicht in vielen Dojos so einfach möglich ist: Regelmäßiges Juyukeiko! Aber was ist das? Das japanische Wort “Jiyu” bedeutet “Freiheit” oder “frei”, das Wort “Keiko” bedeutet “Training” oder “Studium”. Im Dōjō (Trainingsort) gibt es also die Möglichkeit, neben dem regulären Training auch regelmäßig freies Training zu praktizieren. So können alle Aikidōka (fast) jeden Sonntag ins Dōjō kommen und bestimmte Techniken üben und vertiefen.

Damit aus “frei” nicht “chaotisch” oder “falsch” wird, ist Alex (2. Dan) zum Jiyukeiko fast immer vor Ort, um Fragen der Kōhai (der weniger erfahrenen Aikidōka) zu beantworten und ggf. nochmals Techniken zu zeigen.

 

 

Seminare mit dem eigenen Sensei

Neben dem Training im eigenen Dōjō gibt Volker Hochwald auch auswärts Seminare, zu denen auch die eigenen Schülerinnen und Schüler kommen können. Aber: Wenn man im eigenen Dōjō trainieren kann, warum zu auswärtigen Seminaren gehen? Lilli, aus unserem Dōjō, sagt dazu: “Man erlebt Aikidō außerhalb der gewohnten Umgebung und kann Sensei endlich die Fragen stellen, die sich angestaut haben. Das intensive Training, das oft mit Basics anfängt und immer schwieriger wird, hilft mir, die Techniken zu verstehen und zu verbessern. Ich bin nach so einem Wochenende sehr müde, weil es körperlich und mental anstrengt und man sein Bestes gibt. Aber danach bin ich hochmotiviert und denke noch lange an die wertvolle Zeit im Seminar und mit den anderen Aikidōka.”

 

 

Sensei, Senpai und Kōhai

Das japanische Wort “Sensei” bedeutet in etwa “Lehrer” und setzt sich zusammen aus „sen“, in etwa “vorher” und „sei“, in etwa “geboren”. Sensei bezeichnet also eine Person, die in einem bestimmten Bereich wesentlich mehr Erfahrung hat, nicht nur im schulischen Sinne. Ein Sensei ist in einem bestimmten Bereich ein Mentor, so beispielsweise auch im Aikidō. Schüler begegnen dem Sensei mit Respekt und lernen im Training durch genaue Beobachtung und Nachahmung. Der Respekt wird beispielsweise dadurch ausgedrückt, dass man sich zu Beginn und zum Ende und auch nach der Instruktion einer Technik zum Sensei verbeugt und sich auch bei ihm für eine Korrektur zu einer Technik bedankt. Im Training ist nur der Sensei berechtigt, lange und ausführliche Erklärungen zu den Techniken zu geben.

Shihan Volker Hochwald

Ein Sensei mit einem hohen Rang wird auch mit „Shihan“ („Meisterlehrer“) bezeichnet, so auch Volker Hochwald (6. Dan), Sensei des Aikidō-Dōjō in Korntal. Der Titel wird nur an Personen verliehen, die als Vorbilder dienen und die Aikidō mit höchster Integrität und exzellenter Technik praktizieren. Deshalb sind auch viele internationale Aikid<ka regelmäßig Gäste des Dōjōs in Korntal.

In Japan gilt in vielen Kontexten, z. B. Arbeit oder Sport das hierarchiebezogene Rollenverhältnis von Senpai-Kōhai. Das Wort Senpai besteht aus „sen“, das bedeutet  etwa „vorher“ und „pai“ in etwa „Gefährte“. Ein „Senpai“ ist also jemand, der „schon vorher in der Gruppe war“ und so eine höhere Position einnimmt, also eine höhere Graduierung hat. Dadurch ist er Mentor, er unterstützt und führt eine unerfahrenere Person (Kōhai). Die Senpai-Kōhai-Beziehung ist von Respekt und Verantwortung geprägt.

Im Aikidō ist der Senpai in seinem Tun Vorbild für die Art, wie man sich im Dōjō, gegenüber den Mitschülern und auch gegenüber dem Lehrer verhält. Auch hilft er dem Kōhai beim Erlernen der Techniken und ist darüber hinaus verpflichtet, die Dōjō-Regeln zu vermitteln. Der Senpai wird im Training vom Kōhai zum Üben aufgefordert, der Senpai ist immer verpflichtet, dies zu akzeptieren. Er muss immer die Aufforderung des schnelleren Kōhai annehmen (es sei denn, der Sensei entscheidet anders), und der Senpai ist derjenige, der dann mit der Übung beginnt. Benötigt ein Kōhai anfangs noch etwas mehr Unterstützung durch einen Senpai, sollte diese Unterstützung im regulären Training nur mit knappen Worten und leise ausfallen.

Das Wort Kōhai besteht aus „kō“, das bedeutet etwa „nach“ und „hai“ in etwa „Gefährte“. Ein „Kōhai“ ist also jemand, der „später in eine Gruppe kommt“ und so eine niedrigere Position einnimmt, also eine niedrigere Graduierung hat.

Im Aikidō (im Training/im Dōjō) ist es Aufgabe des Kōhai, aufmerksam den Lehrer, aber auch die Senpai zu beobachten und deren Verhalten nachzuahmen. Im Training ist der Kōhai immer dazu verpflichtet, einen Senpai zum Trainieren aufzufordern. So wird sichergestellt, dass der Kōhai maximal effektiv lernen kann. Hierbei gilt es als unhöflich, höhere Senpai, vor allem die Schwarzgurte, sitzen zu lassen. Es kann im Eifer des Gefechts passieren, aber dann muss man sich schnellstmöglich umorientieren und den Senpai schnell noch auffordern. Recht bald wird erwartet, dass man dem Kōhai kaum etwas erklären muss, da er durch Beobachtung lernt und deshalb eine Instruktion selten erforderlich ist. Es ist auch unerwünscht, dass der Kōhai Fragen stellt, er soll sich auf die direkte Umsetzung der Hinweise, Anweisungen und Korrekturen des Senpai oder Senseis konzentrieren. Fragen nach dem Training sind aber willkommen.

Was manchmal zu Konflikten, wenn auch nur zu inneren Konflikten führt: Es ist nicht erlaubt, dass der Kōhai den Senpai korrigiert, auch wenn er denkt, einen Fehler bei ihm entdeckt zu haben oder glaubt, etwas besser verstanden zu haben. Es gilt, sich auf sich selbst zu konzentrieren und bescheiden zu bleiben. In unserer Kultur erscheint dies ggf. dem ein oder anderen nicht sinnvoll. Diese Regel dient aber der Bescheidenheit, dem Zurückhalten des eigenen Egos und auch dem Vertrauen darauf, das jeder erfahrenere Aikidōka auch was zur Verbesserung des weniger Erfahrenen beizutragen hat. Konflikte und unnötige Diskussionen werden so während des regulären Trainings vermieden.

Übrigens: Das Konzept ist altersunabhängig. Wenn z.B. ein Jugendlicher am Erwachsenentraining teilnimmt, ist auch der jugendliche Aikidōka ganz normal in die Rangfolge einzugliedern. Wenn er eine höhere Graduierung hat, ist auch er Senpai. Außerdem ist das Konzept relativ, so ist jeder im Dōjō (außer dem Un-/Erfahrensten) für die einen Senpai und für die anderen Kōhai.

 

 

Nage und Uke

Aikidō ist eine Kampfkunst, die auf die Abwehr von Angriffen abzielt. In der Rolle des „Nage“ (dies bedeutet „Wurf“) üben Aikidōka entsprechende Abwehrtechniken, um sich zu verteidigen oder den Angreifer zu Boden zu „werfen“.

Aufgabe des Nage ist es, die gezeigte Technik möglichst gut auszuführen. Dabei nimmt er die Energie des Angriffs auf oder lenkt sie ab, um den Angreifer – möglichst ohne diesen zu verletzen – abzuwehren. Der Nage hat eine große Verantwortung: er muss versuchen, die Abwehrtechnik gut zu üben, gleichzeitig muss er das eigene Trainingsniveau und das des Partners gut kennen, damit er ihn nicht verletzt. Dies erfordert Vertrauen auf beiden Seiten.

Auch wenn im Aikidō die Verteidigung im Zentrum steht, kommt dem Uke eine wichtige Rolle zu: Er stellt seinen Körper zur Verfügung und muss mit Kraft und Energie angreifen, damit der Verteidiger die Abwehrtechniken üben kann.

Das japanische Wort „ukeru“ bedeutet „empfangen“. Der Angreifer empfängt also die Technik des Verteidigers. Damit man sich als Uke nicht verletzt, lernt man Roll- und Falltechniken, dies nennt man „Ukemi“ und bedeutet in etwa „empfangender Körper“. Das kann auch ziemlich spektakulär aussehen!

 

 

Zanshin – Das bleibende Herz

In vielen japanischen Disziplinen, nicht nur in den Kampfkünsten, ist Zanshin ein Wort, das die Aufmerksamkeit auf das „Objekt” beschreibt, nachdem man die jeweilige Handlung vollzogen hat. Wenn man die zwei Schriftzeichen des Wortes für sich übersetzt, bedeutet Zanshin „bleibendes Herz”. In der herkömmlichen japanischen Sprache kann Zanshin auch „Bedauern” heißen. In den japanischen Kampfkünsten ist jedoch nicht gemeint, dass man den zu Boden geworfenen noch etwas bedauern sollte.

Nein, es handelt sich um einen Aufmerksamkeitszustand, der auf den Angreifer, die Umgebung, beim Bogenschießen auf das Ziel und aber auch auf einen selbst gerichtet sein sollte. Man kontrolliert die Situation, um sofort wieder agieren zu können. Im Aikidō-Training hält man das Gefühl des Abschließens der Technik fest.

Es geht also einerseits um Kontrolle halten über den „Gegner” und die Situation an sich. Aber im Training auch darum, den Moment nach Abschluss einer Bewegung zu erleben und nochmals nachzuspüren, wie die Technik geklappt hat, um auch beim nächsten Üben sich verbessern zu können.

 

 

Verbeugung als Zeichen des Respekts

Dōjō ist der Begriff für einen Trainingsraum der japanischen Kampfkünste, es bedeutet in etwa „Ort des Weges”. Hier entwickeln Aikidōka (Schüler/innen) unter der Anleitung eines Sensei (Lehrer/in) ihre Fertigkeiten.

Das Dōjō ist ein Ort des Respekts: Das Verbeugen beim Betreten und Verlassen des Dōjōs gehört genauso dazu wie das Verbeugen zum Shōmen (Kopfseite des Dōjōs) zu Beginn und Ende des Trainings.

Nachdem der Lehrer eine Technik gezeigt hat, verbeugen sich alle zu ihm und dann zum Trainingspartner. Sieht der Lehrer bei jemandem einen Fehler, korrigiert er diesen. Der Aikidōka verbeugt sich mit einem „Arigatō gozaimashita”, einer höflichen Form des Dankes. Dann sind alle gefordert, von der Korrektur zu lernen.

 

 

Onegaishimasu!

Dies sagt Volker Hochwald Sensei (6. Dan), der Leiter des Aikidō-Dōjōs in Korntal, zu Beginn eines jeden Trainings und genauso antworten auch die Aikidōschüler/-innen, während sich alle verbeugen. Auch im Training hört man es oft. Aber was bedeutet es? In Japan ist ein respektvoller und höflicher Umgang fest im Alltag und somit auch im sprachlichen Ausdruck verankert. Ganz allgemein kann die Formulierung eine höfliche Bitte sein oder einen respektvollen Beginn einer Interaktion einleiten. Der Ausdruck enthält die Bedeutungsteile „Bitte” und „tun” und hat je nach Kontext verschiedene Nuancen. Im Aikidōkontext bedeutet es in etwa, dass man seinen Trainingspartner darum bittet, (gut) miteinander zu trainieren. In diesem Sinne:

Onegaishimasu!